Elternabend „Mediennutzung von Jugendlichen“

Moderne Technik birgt viele Chancen aber Risiken. Soweit wird mir sicherlich niemand widersprechen. Vor allem in Form des Smartphones steht sie heute fast jedem zur Verfügung und wird in den meisten Fällen intensiv genutzt – vor allem von heranwachsenden Jugendlichen.

Die Aufgabe von Schule und Eltern ist es diese Nutzung zu begleiten, je nach Alter und Verantwortungsbewusstsein in einigen Bereichen auch zu kontrollieren und einzuschränken. Dazu ist es zunächst allerdings wichtig zu wissen was die Kinder und Jugendlichen nutzen und vor allem warum sie dies tun.

An diesem Ausgangspunkt knüpfte unser gestriger Elternabend an. Sowohl Eltern, als auch Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich oft damit überfordert bei der rasanten Entwicklung Schritt zu halten und sie selbst sehen in vielen Apps, die die Jugendlichen nutzen wenig Potenzial und werfen ihnen dadurch vor ihre Zeit mit den Smartphones (oder Spielekonsolen) zu verschwenden, statt diese für (aus ihrer Sicht) sinnvollere Aktivitäten zu nutzen.

Unser Ziel war es mit der Veranstaltung nicht nur potenzielle Risiken aufzuzeigen und Ängste zu schüren, sondern die Erwachsenen an die Inhalte der Jugendlichen heranzuführen und ihnen ein Stück weit verständlich zu machen wo die Faszination an diesen Anwendungen liegt.

 

Dialog zwischen Jugendlichen und Erwachsenen

Bei unserer Planung wurde schnell klar, dass wir, um den Eltern in ihren Sorgen und Fragen kompetent weiterhelfen zu können, Experten einladen müssen, die uns helfen das Mediennutzungsverhalten besser zu verstehen. Dabei griffen wir zurück auf bekannte Ressourcen wie digitalaffine Lehrkräfte, unsere Schulsozialarbeiterin, den Flensburger Jugendschutzbeauftragten sowie einen Medienpädagogen der Aktion Kinder- und Jugendschutz.

Letztlich gibt es aber eine Expertengruppe, die über die Mediennutzung von Jugendlichen viel besser Bescheid weiß als all die genannten Fachkräfte gemeinsam – ich spreche ich über die Jugendlichen selbst!

Es war nicht das erste Mal, dass wir zu Fortbildungs- und Informationszwecken auf die Jugendlichen zurückgriffen. Viel mehr haben wir seit Beginn des Jahres mehrfach umfassend von ihrem Wissen und ihrem Engagement profitiert, indem wir sie zunächst im Frühjahr zu einer Lehrerfortbildung und in den Sommerferien zu einer Weiterbildungsmaßnahme für alle Flensburger Schulsozialarbeiter einluden. Diesmal waren also die Eltern dran.

Die Veranstaltung war offen für alle. Einladungen gingen raus an die Erziehungsberichtigten unserer Schüler (aller Klassenstufen), zusätzlich kamen auch weitere Interessierte, die über Mund-zu-Mund-Propaganda von dem Abend erfahren hatten.

Das genaue Programm lässt sich diesem Infoflyer entnehmen:

Ablauf der Veranstaltung

Grob war die Veranstaltung in drei Phasen strukturiert:

Wir starteten mit einem Impulsvortrag vom Diplom-Medienpädagogen Andreas Langer, der zunächst eine kurze Zeitreise mit uns unternahm und wir erinnerten uns an ehemalige technische Neuerungen wie die Floppy Disk, die VHS-Kassette, die Schreibmaschine oder den C64, um letztlich festzustellen, dass sich im Grunde genommen sämtliche dieser technischen Errungenschaften heute in einem Gerät konzentrieren: dem Smartphone.

Darüber hinaus warfen wir einen Blick in die JIM-Studie 2017 (und 1998), um einen Eindruck von Qualität und Quantität der medialen Nutzung von Jugendlichen zu erhalten.

Abschließend wurde dies in Verbindung mit dem Wunsch nach Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit gebracht, der bei Jugendlichen vor allem in der Phase der Pubertät zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Abgrenzung von den Eltern (und den Erwachsenen allgemein) sowie die Erkundung der eigenen Sexualität sind hier nur einige der genannten Beispiele. Es wurden dabei auch erste Impulse geliefert wie Eltern ihren Kindern in dieser schwierigen Phase beistehen können und welche Bedeutung hierbei das Internet und das Smartphone spielen.

Der Blog von Andreas Langer bietet weitere Einblicke in seine Arbeit:

Andreas Langer: DiesDasMedien

 

In der zweiten Phase hatten dann die besagten Jugendlichen ihren großen Auftritt. An unserer Schule gibt es seit mehr als vier Jahren ein erfolgreiches Medienscouts-Programm – die „Flensburger Mediensecurity“, das ursprünglich von unserer Schulsozialarbeiterin und einer weiteren Kollegin ins Leben gerufen wurde und inzwischen an fast allen Flensburger Schulen angekommen ist (ein ausführlicher Bericht folgt in Kürze).

Die Teilnahme am Elternabend fand zu 100% freiwillig statt. Umso glücklicher war ich, dass mir alle 16 derzeit tätigen Medienscouts zugesagt haben. Wir teilten sie für den Abend in vier Gruppen auf. Jeder Gruppe wurde ein Raum zugewiesen und dort waren sie dafür zuständig einen gewissen Themenbereich vorzustellen. Ziel war es dabei den Erwachsenen verständlich zu machen warum sie diese medialen Inhalte konsumieren, aber auch einige Risiken aufzuzeigen.

Vorgestellt wurden:

  • Snapchat
  • Instagram (& Tellonym)
  • YouTube
  • Videospiele (Minecraft & Fortnite)

 

In der Vorbereitung waren die Jugendlichen völlig uneingeschränkt. Sie erhielten für die Durchführung eine Freischaltung für das WLAN, damit sie so echte Online-Inhalte vorstellen und diese per AirPlay-Funktion und Beamer an der Wand zeigen konnten.

In zwei 15minütigen Blöcken konnten nun die Erwachsenen frei wählen welches Thema sie interessiert. Schön wäre es gewesen allen Eltern alle vier Themen näherzubringen – das hätte allerdings den zeitlichen Rahmen gesprengt. Ich denke es ist langfristig weitaus gewinnbringender, wenn die Teilnehmer des Abends nach Hause gehen und gerne noch mehr hören würden, als sich danach wie erschlagen zu fühlen.

Nach dem die Jugendlichen die Eltern auf einen kleinen Ausflug in ihre digitale Alltagswelt mitgenommen hatten, blieben bei den Eltern viele Fragen. Diese versuchten wir in der letzten Phase aufzugreifen – dies sollte in Form einer „Experten-Fragerunde“ geschehen. Moderiert wurde es von einer Kollegin, auf der Bühne saßen neben mir als Lehrkraft, der Flensburger Jugendschutzbeauftragte, ein Medienpädagoge, unsere Schulsozialarbeiterin sowie eine ehemalige Schülerin, die im vergangenen Jahr ihren Abschluss gemacht hat und zuvor drei Jahre lang sehr engagiert als Mediensecurity aktiv war.

Die Fragen waren zahlreich vorhanden. Dabei wurden zum Teil Ängste und Sorgen geäußert, wenn beispielsweise nach dem angemessenen Maß an elterlicher Kontrolle gefragt wurde und dabei eine rege Diskussion zwischen Experten und Publikum zustande kam darüber wie intim z.B. Nachrichten in Snapchat, Instagram und Whatsapp sind und unter welchen Bedingungen Eltern hier überhaupt Einfluss nehmen können, wenn die Kinder dies zunächst gänzlich ablehnen.

Anderen war es eher ein Anliegen neben der pädagogischen Kontrolle die meist unsichtbaren Mechanismen hinter den Apps und Webanwendungen bewusst zu machen. Jugendlichen sollte klar sein, dass z.B. mit Werbung oder dem Handel mit persönlichen Daten eine Menge Geld verdient wird. Außerdem sollte ihnen früh vermittelt werden, dass hinter einem Online-Account nicht immer wirklich die Person steckt, die sie vorgibt zu sein.

Ich persönlich fand es besonders spannend wie souverän unsere ehemalige Mediensecurity-Schülerin auf die Fragen reagierte. Mit ehrlichen und reflektierten Antworten schaffte sie es in die Diskussion eine vollkommen neue Perspektive hereinzubringen. Es wurde ein Stück weit deutlicher, dass Jugendliche sich sehr wohl vieler Risiken bewusst sind und alle ihre ganz eigenen Haltungen und Strategien entwickeln, um diesen „Gefahren“ zu begegnen. Zudem hat sie mehrfach gezeigt, dass ein reines Schwarz-Weiß-Denken dieser komplexen Thematik nicht gerecht wird.

Möchte man die Inhalte und Gespräche des Abends kurz und prägnant zusammenfassen, sind, denke ich, die folgenden Aussagen sehr treffend:

  • es lassen sich keine pauschalen Regeln für das Mediennutzungsverhalten festlegen
  • Eltern, Lehrer und andere Erwachsene müssen Vorbilder sein und ihre eigene Mediennutzung regelmäßig kritisch hinterfragen
  • regelmäßige und ehrliche Kommunikation zwischen Erwachsenen und Jugendlichen ist extrem wichtig
  • Regelungen sollten nicht allein von der Erwachsenen aufgestellt werden, sondern im gemeinsamen Dialog entstehen

 

Ein Plädoyer für mehr Schülerbeteiligung

Abschließend möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen, dass ich überwältigt war vom Engagement und von der Dialogbereitschaft der jugendlichen Helfer. Nachdem wir ursprünglich mit einem Peer-to-Peer-Ansatz in das Mediensecurity-Projekt gestartet sind, merken alle Beteiligten wie groß das Bedürfnis der Jugendlichen ist auch mit Erwachsenen über ihre Mediennutzung ins Gespräch zu kommen.

Eine entscheidende Rolle spielt hierbei aber auch die Bereitschaft der Erwachsenen ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, sich anzuhören was die Jugendlichen zu erzählen haben und dabei eine große Portion Verständnis zu zeigen. Das beflügelt die Medienscouts dazu weiterzumachen und ihre Botschaften einem noch breiteren Publikum zu vermitteln.

Ich bin davon überzeugt, dass dieser Ansatz der Schülerbeteiligung bei Informations- und Fortbildungsveranstaltungen auch in anderen Bereichen funktionieren kann. Dies sollte jedoch stets auf Freiwilligkeit beruhen und es sollte den Jugendlichen die Möglichkeit eingeräumt werden Inhalte aktiv mitzugestalten und eigene Ideen miteinzubringen.

Bei allen bisherigen Veranstaltungen, die wir mit der Mediensecurity und Erwachsenen durchgeführt haben, haben wir gemeinsam mit den Jugendlichen die Themenbereiche festgelegt (wobei sich die Angebote auch wunderbar mit den Ergebnissen der JIM-Studie 2017 zusammenbringen lassen) und für die konkrete Ausarbeitung der Workshops bzw. Module erhielten die Medienscouts ein hohes Maß an eigenverantwortlicher Gestaltungsmöglichkeiten. So wurde ihnen lediglich ein Zeitrahmen vorgegeben und ein Raum zugeteilt. Außerdem hatte ich sie gebeten den Erwachsenen zu zeigen warum gerade diese Anwendungen für Jugendliche so reizvoll sind. Der kritische und risiko-orientierte Ansatz kam meist aus eigener Motivation – und gerade dieser Spagat zwischen einer positiven und einer kritischen Annäherung machte die Vorträge und Ausführungen umso glaubwürdiger und faszinierender.

Das Feedback der Teilnehmer fiel in allen Fällen sehr positiv aus. Beim Medien-Elternabend waren die Schüler-Vorträge sowie die Teilnahme an der Expertenrunde eine Bereicherung und vermutlich das Highlight der Veranstaltung.

 

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