Explain Everything
Kurzbeschreibung
Explain Everything ist ein umfangreiches Tool für den alltäglichen, schulischen Einsatz. In erster Linie handelt es sich hierbei um einen Whiteboardersatz. Damit dies funktioniert, benötigt man natürlich die Möglichkeit sein iPad-Display an einen Beamer zu übertragen, z.B. per Kabelverbindung oder AirPlay. Alles Weitere funktioniert denkbar einfach und die Grundfunktionen sind übersichtlich und schnell erlernt. Man kann schreiben und zeichnen sowie verschiedenste Dateitypen (Audio, Video, PDF und mehr) oder Formen einfügen. Elemente lassen sich gruppieren, damit sie gemeinsam zu bewegen sind oder an einer festgelegten Position verankern.
Über die reinen Whiteboard-Funktionalitäten bietet Explain Everything auch die Möglichkeit Screencasts zu erstellen, indem man unten den roten Aufnahme-Button betätigt. Besitzen die Schülerinnen und Schüler entsprechende Endgeräte (oder nutzt man es zur Projektplanung mit Kollegen), kann man mit der App auch kollaborativ arbeiten – in so genannten „Live-Sessions“.
Links zu den Apps
Detailbeschreibung
Bevor ich mit der ausführlichen Beschreibung beginne, sollte ich zunächst auf zwei wichtige Punkte hinweisen:
1. Es gibt bestimmte Apps, die zwar sehr viele unterschiedliche, wertvolle Funktionen anbieten, deren volles Potenzial ich aber (aus unterschiedlichen Gründen) gar nicht ausnutze – oder vielleicht noch nicht.
Das ist bei Explain Everything definitiv der Fall. Ich arbeite weder kollaborativ damit, noch erstelle ich Screencasts. Die folgende Beschreibung wird sich diesen Funktionen daher auch nicht widmen. Ich beschreibe ausschließlich die Möglichkeit der App als Ersatz für ein interaktives Whiteboard.
2. Selbst die bloßen Whiteboard-Tools bieten für unterschiedliche Fächer und Unterrichtsszenarien einen wahnsinnig großen Umfang an Einsatzmöglichkeiten. Es wird mir nicht möglich sein, sämtliche Funktionen im Detail zu erläutern. Ich werde allgemein etwas zur Bedienung der App sagen, darauf eingehen wie ich sie persönlich einsetze und auch darauf hinweisen, was mit meinen Zielsetzungen nicht so funktioniert, wie ich es mir eigentlich wünschen würde.
Es bleibt aber zu betonen, dass ich die App definitiv jedem weiterempfehle, der auf der Suche nach einem interaktiven Whiteboardersatz für ein iPad in Kombination mit einem Apple Pencil ist. Ich habe verschiedene Apps ausprobiert und keine bot eine so umfangreiche Auswahl an Tools mit einer so optisch ansprechenden Bedienoberfläche wie Explain Everything.
Nun zu den Funktionen der App: Im Hauptmenü von Explain Everything gibt es vier Unterpunkte. Im „Hauptmenü“ kann ich neue Projekte starten, andere Nutzer einladen bzw. ihnen beitreten oder von mir erstelle Projekte freigeben und teilen. Darunter sehe ich eine Auswahl meiner letzten geöffneten Projekte. In der „Bibliothek“ habe ich Zugriff auf meine persönliche Cloud, mit der ich Projekte auf allen meinen Geräten synchronisieren kann – dazu später mehr. Außerdem sehe ich hier alle meine Projekte, die auf dem genutzten Endgerät gespeichert sind aufgelistet. Im Bereich „Lernen“ kann ich Tutorials zu den unterschiedlichen Grundfunktionen lesen. Diese Tutorials sind stets ergänzt durch kurze Videoclips und Praxisbeispiele. Außerdem gelange ich über diesen Bereich auf die neusten Beiträge des Explain Everything-Blogs. Hier kann ich mich zu Neuigkeiten informieren oder mich von kreativen Ideen inspirieren lassen. Der letzte Punkt, „Suchen“, ist selbsterklärend – habe ich eine Vielzahl von Projekten gespeichert, kann ich diese hierüber gezielt filtern.
Starte ich nun ein neues Projekt, wähle ich zunächst das Design aus. Ich kann mit einem leeren, weißen Hintergrund starten, mit einer linierten Notizbuchseite oder vielen weiteren kreativen Vorlagen, wie einem Storyboard, einer Pinnwand oder einer Zeitleiste.
Gehen wir davon aus, dass wir ein leeres Projekt öffnen, habe ich nun eine weiße Folie, die darauf wartet mit Inhalten gefüllt zu werden. Im oberen Bereich sehe ich eine Navigationsleiste, die mir z.B. das Umbenennen des Projektes oder ein schnelles Zwischenspeichern sowie die Möglichkeit der direkten Freigabe oder des Startens einer kollaborativen Live-Session bietet. Um noch mehr Platz zur Bearbeitung zu schaffen, kann ich sie auch ausblenden bzw. einklappen. Unten rechts habe ich die Möglichkeit weitere leere Folien hinzuzufügen. Dies funktioniert ähnlich wie bei klassischen Präsentationsprogrammen, z.B. PowerPoint. Unten in der Mitte sehe ich einen Aufnahme-Button sowie die Möglichkeit eine Audioaufnahme hinzuzufügen. Dies kann sinnvoll sein, wenn die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeiten haben nach der Unterrichtsstunde auf das Projekt zuzugreifen, um sich z.B. eine Erklärung erneut anzusehen bzw. anzuhören.
Auf der linken Seite befindet sich die Toolbar. Hier gibt es eine Vielzahl an Funktionen, die ich auswählen kann. Standardmäßig ist das Hand-Icon angewählt. Dies erlaubt mir Objekte zu verschieben sowie zu zoomen.
Das Plus-Zeichen ermöglicht es mir Inhalte einzufügen. Ich kann mit der Kamera live Bilder und Videos aufnehmen oder bereits vorhandenes Bild- oder Videomaterial einfügen. Außerdem gibt es eine Funktion, mit der ich direkt Bilder im Netz suchen kann. Welcher Webdienst dahintersteckt, kann ich leider nicht sagen, weil es in der App nicht ersichtlich wird.
Ich kann außerdem PDF- oder Audio-Dateien hinzufügen und auf eine umfangreiche Clipart-Sammlung zurückgreifen. Es ist sogar möglich die Clipart-Galerie mit eigenen Grafiken zu ergänzen, so dass ich diese dann jederzeit per Schnellzugriff auswählen kann.
Mathelehrer steht hier auch die Funktion zur Verfügung Gleichungen einzufügen. Wähle ich den Unterpunkt aus, so wird ein leeres Textfeld eingefügt und zusätzlich ein Formeleditor geladen – da ich Mathe nicht unterrichte, kann ich nicht beurteilen wie brauchbar diese Funktion tatsächlich ist.
Neben Dokumenten, Grafiken und Funktionen bietet dieser Bereich noch eine tolle Zusatzmöglichkeit: Ich kann in meine Folie ein Browserfenster einfügen, mit dem ich live Internetseiten aufrufen kann. Somit muss ich die App nicht verlassen, wenn ich eine Webseite zeigen möchte. Dieses Feature kann wirklich ungemein nützlich sein.
Verwende ich mein iPad in Kombination mit dem Apple Pencil (oder einem anderen Stift), bietet Explain Everything natürlich auch die Möglichkeit zu zeichnen oder handschriftliche Notizen hinzuzufügen. Ich wähle in der Toolbar zunächst das Stift-Icon aus. Nun kann ich die Strichstärke, die Art des Stifts (Fineliner oder Bleistift) und die Farbe auswählen. Habe ich eine Form gezeichnet, kann ich sie außerdem farblich ausfüllen lassen. Natürlich kann ich statt mit einem Stift auch mit dem Finger zeichnen oder schreiben.
Zusätzlich zu den Stiftfunktionen, kann ich auch einen Textmarker oder das Radiergummi auswählen. Die Einstellmöglichkeiten verhalten sich ähnlich. Mit dem Farbeimer kann ich Flächen ausfüllen.
Weitere Tools bieten mir die Möglichkeit Formen einzufügen, ein Lineal zu verwenden, Textfelder einzufügen, Bildbereiche zu duplizieren oder mit einem Laserpointer (wahlweise auch Finger, Pfeil, Mauscursor oder Lichtschwert) gezielt Inhalte anzuzeigen.
Das letzte zu erwähnende Werkzeug ist der „Inspektor“. Diesen finde ich persönlich wichtig, weil es gerade bei Folien mit vielen Inhalten leicht passiert, dass man unbeabsichtigt Elemente verschiebt oder deren Größe verändert, obwohl man eigentlich heranzoomen wollte. Mit dem Inspektor lassen sich sowohl einzelne, als auch mehrere Elemente auswählen. Anschließend bietet er eine Vielzahl an zusätzlichen Funktionen, wie z.B. das duplizieren, kopieren und einfügen oder spiegeln von Objekten. Ich kann außerdem mehrere Elemente gruppieren, so dass ich sie zukünftig gemeinsam verschieben oder in ihrer Größe anpassen kann. Möchte ich sie an einer festen Positionen verankern, nutze ich die Funktionen des Reiters „Sperren“. Statt ein Objekt vollständig zu verankern, kann ich hier auch lediglich die Rotation, die Möglichkeit des Skalierens oder die horizontale oder vertikale Bewegung sperren. Dies kann z.B. bei Zuordnungsaufgaben im Plenum hilfreich sein.
Ich kann umfangreichere Tafelbilder gegebenenfalls zuhause oder im Lehrerzimmer vorbereiten und muss sie in der Klasse lediglich aufrufen. Zudem bietet sich mir die Möglichkeit per Klick weitere Folien aufzurufen und bei Bedarf auf vorherige Tafelbilder zurückzugehen. Ist die Unterrichtsstunde vorbei, kann ich mein Tafelbild abspeichern, um es in der Folgestunde weiterzubearbeiten oder ich kann es mit wenig Aufwand als PDF-Datei exportieren. Steht ein Schulserver zur Verfügung, kann ich den Schülerinnen und Schüler als die Arbeitsergebnisse in der Schul-Cloud zur Verfügung stellen oder per Rundmail zukommen lassen.
Erfahrungen aus dem eigenen Schulalltag
Wie setze ich die App im Schulalltag ein? Oben habe ich ja bereits erwähnt, dass ich damit weder Screencasts verwende, noch kollaborativ arbeite. Für letzteres fehlen den Schülern leider die entsprechenden Endgeräte, beim gemeinsamen Arbeiten mit Kollegen nutze ich Microsoft OneNote statt Explain Everything.
Ich nutze Explain Everything tatsächlich ausschließlich als Tafelersatz. Da unsere Klassenräume alle sowohl mit einer klassischen Kreidetafel, als auch mit einem AirPlay-fähigen Lehrer-PC in Verbindung mit einem Deckenbeamer ausgestattet sind, bieten sich mir bei der Verwendung einer Whiteboard-App natürlich viel mehr Möglichkeiten als bei der Nutzung der Kreidetafel. Wenn man mal von den lästigen kreideverschmierten Händen absieht, kann ich meine Zeichnungen und Tafelanschriebe nun auch speichern, verschieben und (was am wichtigsten ist) durch digitale Objekte wie Bilder, Arbeitsbögen, Video- und Audiodateien, Formen oder Icons und Cliparts ergänzen.
Zudem biete sich mir ein weiterer Vorteil, der nicht zu unterschätzen ist. An der Kreidetafel muss ich vorne stehen und mich bei der Erstellung von Tafelbildern von den Schülern abwenden – dies ist auch bei einem interaktiven Whiteboard der Fall. Nutze ich stattdessen den Deckenbeamer in Kombination mit meinem iPad, so kann ich meine Position im Raum frei wählen. Ich kann vorne stehen (allerdings den Schülern zugewandt) oder ich begebe mich nach hinten in den Raum, so dass die Aufmerksamkeit nicht auf mich, sondern auf das Whiteboard gerichtet ist. Manchmal genieße ich es sogar mich mitten unter die Schüler zu mischen und von dort aus mein Projekt zu bearbeiten. So kriege ich ein Gefühl dafür wie es den Schülerinnen und Schülern in der Situation ergeht und wann es vielleicht besser ist diese Visualisierungsphase zu verkürzen und zu einer aktivierenden Phase überzugehen.
Wenn ich kein Problem damit habe mein eigenes iPad an Schüler weiterzureichen, können diese von ihrem Platz aus ebenfalls mit dem Whiteboard interagieren, Elemente verschieben oder ergänzen oder Textfelder ausfüllen.
Screenshot-Galerie
Kritikpunkte
Bei all den positiven Faktoren, gibt es auch zwei grundlegende Aspekte von Explain Everything, die ich zu bemängeln habe.
Wer die Links oben aufmerksam angesehen hat, dem dürfte aufgefallen sein, dass es sowohl im iOs- als auch im Google Play-Store jeweils zwei App-Varianten von Explain Everything gibt – je eine vermeintlich kostenfrei und die andere kostenpflichtig. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Test- und eine Vollversion, sondern während die kostenpflichtige Version nur für ein System verfügbar ist, handelt es sich bei der anderen Version um ein Abo-Modell (aktuell ca. 22€ jährlich), mit dem geräte- und plattformübergreifend gearbeitet werden kann. Außerdem ist nur mit der Abo-Variante das kollaborative Arbeiten möglich und einige Zusatzfunktionalitäten sind dieser Version vorbehalten, um Nutzer so von dem Konzept zu überzeugen.
Da ich, wie bereits erwähnt, den kollaborativen Aspekt nicht nutze, war für mich vor allem die Möglichkeit des plattformübergreifenden Arbeitens der ausschlaggebende Grund das Abo-Modell zu wählen. In der Regel bereite ich meinen Unterricht zuhause über einen Windows-PC vor und nutze im Schulalltag mein iPad oder mein MacBook (hier gibt es momentan nur eine Beta-Version der Anwendung). Leider habe ich festgestellt, dass keine Version so stabil und mit so einem großen Funktionsumfang wie die iOs-App arbeitet. Von der Windows 10-App bin ich sogar so enttäuscht, dass ich sie mittlerweile gar nicht mehr nutze.
Der zweite zu bemängelnde Punkt hängt stark mit dem ersten zusammen: es geht um die geräteübergreifende Synchronisation. Wenn man auf mehreren Geräten arbeitet, so ist dieses Feature heutzutage mittlerweile unerlässlich und wird laut Beschreibung auch von Explain Everything angeboten. Dies ist meiner Meinung nach aber eine Mogelpackung. Es steht mir zwar ein gewisser Cloud-Speicherplatz zur Verfügung, aber der Up- und Download von neuen Projekten geschieht nicht automatisch, sondern muss jeweils manuell durchgeführt werden. Wenn ich also ein Projekt auf meinem iPad erstelle und es später am Windows-Rechner weiterbearbeiten möchte, reicht es nicht aus, sich dort mit dem Benutzerkonto einzuloggen, sondern ich muss zunächst die Datei auf dem iPad per Freigabe-Button in die Cloud laden und dieses Projekt dann vor der Weiterbearbeitung am Windows-Rechner manuell herunterladen. Dies empfinde ich als so irreführend und umständlich, dass es mir bereits mehr als einmal passiert ist, dass ich ein Tafelbild zuhause vorbereitet habe und den Schritt des Hochladens schlichtweg vergessen habe (nahezu jede App, die eine Synchronisation anbietet, tut dies im Hintergrund automatisch). Als ich mein Projekt dann im Unterricht aufrufen wollte, habe ich also eine böse Überraschung erlebt. Rückblickend habe ich mich doppelt geärgert, weil mir zum einen meine Vorbereitung nicht zur Verfügung stand und ich zum anderen die Vorarbeit umsonst geleistet habe.
Mein Abo läuft noch bis zum Frühjahr 2019. Zu diesem Termin werde ich es kündigen und die andere angebotene App-Variante ausprobieren. Sofern diese mir alle gewünschten Funktionen bietet, ist das Abo-Modell für mich überflüssig – es sei denn das Entwicklerteam von Explain Everything überarbeitet bis dahin die Möglichkeiten der Synchronisation.
Nichtsdestotrotz handelt es sich bei Explain Everything um ein mächtiges Werkzeug für den Einsatz im alltäglichen Unterricht. Alle Alternativen, die ich ausprobiert habe, konnten aus meiner Sicht nicht mithalten was Funktionsumfang und Optik angeht. Für mich eine viel bessere (und viel kostengünstigere) Alternative zum echten physischen Whiteboard. Klare Kaufempfehlung!